Würdest du, Herr, unsere Sünden beachten, Herr, wer könnte bestehen? Doch bei dir ist Vergebung, damit man in Ehrfurcht dir dient. (Ps 130,3f) Da trat Petrus zu ihm und fragte: Herr, wie oft muss ich meinem Bruder vergeben, wenn er sich gegen mich versündigt? Siebenmal? Jesus sagte zu ihm: Nicht siebenmal, sondern siebenundsiebzigmal. (Mt 18,21f)
In den kommenden beiden Monaten wollen wir ein kurzes Streiflicht auf die Frage des Umgangs von Franziskus und Klara mit Vergebung und Versöhnung werfen. Da erinnern wir uns vielleicht, dass es im Sonnengesang auch eine Strophe dazu gibt, seinerzeit extra eingefügt von unserem Vater Franziskus, um den Bischof und den Bürgermeister der Stadt zu versöhnen. Da heißt es in einer musikalischen Verarbeitung in der 8.Strophe: „Herr, sei gelobt durch jene, die verzeihn, und die ertragen Schwachheit, Leid und Qual. Von dir, du Höchster, werden sie gekrönt.“ Im eigentlichen Text des Sonnengesangs (V.8): Gelobt seist du, mein Herr, durch jene, die verzeihen um deiner Liebe willen.“ Es geht also schlicht um konsequent gelebte Liebe. Und es geht ganz klar um etwas, das wir nicht aus uns heraus können. Franziskus macht das ganz deutlich in seiner Betrachtung zum Vater Unser (Vat 8), wo er schreibt: „Wie auch wir vergeben unseren Schuldigern: Und was wir nicht vollkommen vergeben, mach du, Herr, dass wir es vollkommen vergeben, damit wir die Feinde um deinetwillen wahrhaft lieben und für sie bei dir ergeben Fürsprache einlegen, niemandem Böses mit Bösem vergelten und in allem in dir nützlich zu sein uns bemühen.“ Es gehört also, wie wir sehen können, auch das Gebet für die „Feinde“ dazu, für jene, die uns Unrecht tun. Franziskus selbst durfte die Erfahrung der Sündenvergebung machen und schließlich daraus leben. Es ist bekannt, dass das Leben vor seiner Bekehrung weniger gottgefällig war, als ihm später lieb sein konnte. So kam der Tag, wie uns in der ersten Lebensbeschreibung seines Mitbruders Thomas von Celano übermittelt wird (1 Cel 26), an dem er vor Gott über seine „schlechten Jahre“ nachdachte und immer wieder die Worte wiederholte: „Gott, sei mir Sünder gnädig! Da begann unsagbare Freude und höchste Wonne sich nach und nach in das Innerste seines Herzens zu ergießen. Auch wurde er allmählich ganz verändert; der Gemütssturm legte sich, die Finsternis wich, die infolge von Sündenangst sich über sein Herz gebreitet hatte; es wurde ihm die Gewissheit zuteil, alle seine Sünden seien ihm vergeben, und die Zuversicht in ihm erweckt, wieder zu Gnaden zu kommen. Dann geriet er in Verzückung und wurde ganz in Lichtflut eingetaucht. Die Kraft seines Geistes weitete sich, und er sah in hellem Licht, was die Zukunft bringen werde. Als endlich jene Wonne mit dem Licht entschwand, schien er geistig erneuert schon in einen anderen Menschen umgewandelt.“ Wir erleben hier in diesen wenigen Worten mit, was auch der Psalmist vor vielen hunderten Jahren bereits auf den Punkt brachte. „Solang ich es verschwieg, waren meine Glieder matt, den ganzen Tag musste ich stöhnen. Denn deine Hand lag schwer auf mir bei Tag und bei Nacht; meine Lebenskraft war verdorrt wie durch die Glut des Sommers. Da bekannte ich dir meine Sünde und verbarg nicht länger meine Schuld vor dir. Ich sagte: Ich will dem Herrn meine Frevel bekennen. Und du hast mir die Schuld vergeben.“ (Ps 32, 3ff) Welch befreiende Kraft. Was bedrückend und das Leben hemmend, zuweilen gar blockierend uns auf der Seele liegt, kann durch Vergebung zuweilen genommen werden. Wer es schon erleben durfte, versteht auch, dass man danach ein anderer Mensch ist, wenn man einmal „begnadigt“ wurde, unverdient beschenkt mit der Liebe des anderen, der mir die Schuld nicht zur Last legt. Auf der anderen Seite wissen viele Menschen auch sehr genau, was es heißt, schuldig geworden zu sein und keine Vergebung zu erfahren oder nicht fähig/ bereit zu sein, um die Vergebung überhaupt zu bitten. Daher ist es für Franziskus besonders wichtig, dem Minister, dem er einen uns bis heute erhaltenen Brief schreibt, radikal mit auf den Weg zu geben: „Und daran will ich erkennen, ob du den Herrn und mich, seinen und deinen Knecht, liebst, wenn du Folgendes tust, nämlich: Es darf keinen Bruder auf der Welt geben, mag er auch gesündigt haben, soviel er nur sündigen konnte, der deine Augen gesehen hat und dann von dir fortgehen müsste ohne dein Erbarmen, wenn er Erbarmen sucht. Und sollte er nicht Erbarmen suchen, dann frage du ihn, ob er Erbarmen will. Und würde er danach auch noch tausendmal vor deinen Augen sündigen, liebe ihn mehr als mich, damit du ihn zum Herrn ziehst. Und mit solchen habe immer Erbarmen.“ Die Herausforderung, immer mit allen Erbarmen zu haben, ist sicher immens. Das kann (fast) nur der leben, der es am eigenen Leib erfahren hat. Wer das unverdiente Geschenk der Vergebung erlebt hat, wird aus seinem Glück und seiner Erleichterung heraus auch anderen ihre Schuld nachsehen können. Diese Erfahrung zu machen, haben wir als Katholiken das große Glück, wenn wir das Angebot des Sakramentes der Versöhnung annehmen und uns genau dieses Erbarmen Gottes zusagen lassen. Dadurch wird uns die Last von den Schultern genommen, das Leben erneuert und wir schöpfen daraus die Kraft und die Liebe, die uns dieses Geschenk auch an andere weitergeben lässt. So kann die Welt ein Stückchen heiler und friedvoller werden!
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