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SEITE DES MONATS
November 2011

 

Wieder hat ein neuer Monat begonnen und wir wollen uns ein weiteres Detail der Ikone anschauen, nachdem wir im letzten Monat im Hinblick auf den vergangenen Gedenktag der Wundmale des hl.Franziskus einen Blick auf dessen Stigmatisation geworfen haben.

In dieser Seite des Monats soll es uns um das Kleidungsstück gehen, das Christus trägt. Wir wissen aus der Betrachtung der Kreuzweges, dass man Jesus bei der Ankunft am Kalvarienberg seiner Kleider beraubte und diese dann unter den Soldaten verlost wurden. Damit sollte sich das Wort des Propheten erfüllen: „Sie verteilen unter sich meine Kleider und werfen das Los um mein Gewand.“ (Ps 22,19) „Nachdem die Soldaten Jesus ans Kreuz geschlagen hatten, nahmen sie seine Kleider… Sie nahmen auch sein Untergewand“, lässt uns der Evangelist Johannes (19,23) wissen. Jesus war also nackt. Nichts war ihm geblieben, er war vollkommen ausgeliefert, selbst den Blicken der gaffenden Menge und ihrem Gelächter (vgl.Lk 23,3). Es ist die eine Kreuzigung in jener Zeit begleitende unglaubliche Schmach, dass man den Männern mit der völligen Bloßstellung auch noch die letzte Würde nahm und die Kreuze teilweise besonders hoch anbrachte, „damit der Delinquent weithin sichtbar zur Schau gestellt wurde“ (Herders neues Bibellexikon). Hier geht es um die Ehre, nicht mehr um die Todesstrafe, sondern um Vernichtung einer Person, des Spiegels für die eigenen Abgründe. Wie unendlich tief der Abgrund menschlicher Grausamkeit. Ein Mensch verliert das letzte, was ihn schützt, was seine Selbstachtung hält. Der entblößte Mensch verliert sein Gesicht. Es geht nicht mehr um einen Menschen, sondern nur noch um den Hohn, die Freude an der Erniedrigung. Der Gekreuzigte wird zum Spielball der johlenden und gaffenden Menge. Ein Mensch zum Wurm gemacht (vgl. Ps 22,7). Und nicht nur Jesus wird bloßgestellt. Jeder, der dort auf Golgotha stand und sich an dem Spektakel ergötzt hat, entblößt sich. Denn die freundliche, fromme, makellose Hülle, die die eigenen Abgründe sonst sorgsam verbirgt, ist in diesem Moment gefallen. Eine solche Tat lässt tief blicken, wie man so sagt.

Jesus aber musste nackt sein. Er ist der neue Adam, gekommen um den Bruch der Erbsünde zu heilen. Er dreht gewissermaßen um, was Adam tat, bringt Leben in der Gemeinschaft mit Gott, wo die Sünde uns den Tod brachte und das Paradies raubte. Wo Adam sich nach der ersten Sünde seiner Nacktheit bewusst wurde und sich vor Gott hinter einem Baum versteckte, kann und will Jesus, der selbst für uns zur Sünde geworden ist (vgl. 2 Kor 5,21), sich vor niemandem verstecken, nicht vor den Menschen und nicht vor seinem Vater. Er steht nun genauso bloß und arm vor den Augen der Menschen, wie der Sünder, der sich des Kleides der heiligmachenden Gnade beraubte, vor den Augen des Vaters steht. So grausam es ist, zeigt sich auch dieses Detail als wesentlich für die Erlösung.

Wenn wir nun also ausgiebig betrachtet haben, dass Jesus seiner Kleider beraubt war, warum trägt dann Jesus an allen Kreuzesdarstellungen Kleidung, entweder einen Lendenschurz oder zumindest ein Tuch? Manche nehmen an, dass die Römer im Fall des vermeintlichen Königs der Juden eine Ausnahme gemacht hätten und Jesus einen Lendenschurz erlaubt hätten im Hinblick auf die Gefühle des jüdischen Volkes. Manch fromme Betrachtung lässt auch Maria aus ihrer Mutterliebe heraus ihrem Sohn ein Tuch umhängen, weil sie diese Erniedrigung ihres Sohnes nicht ertragen konnte. Dem ersten Gedanken widerspricht wohl, dass das Evangelium eindeutig davon spricht, dass man Jesus auch sein Untergewand nahm. Und es gibt keinen wirklich einleuchtenden Grund, warum die Römer Jesus diese „Ehre“ hätten erweisen sollen. Der anderen Betrachtung könnte man entgegenhalten, dass man Maria sicher nicht zu ihrem Sohn gelassen hat und diese aus einem tiefen Verstehen um die Notwendigkeit all dessen sicher auch nicht eingegriffen hätte. Wir dürfen also wohl davon ausgehen, dass der Grund für die Bekleidung unseres Herrn und Erlösers am Kreuz nicht der tatsächlichen Begebenheit entnommen, sondern unserem persönlichen Empfinden von Unerträglichkeit geschuldet ist. Man bekleidet ihn also aus Rücksicht auf unsere (religiösen) Gefühle.

Nun fällt aber auf, dass Jesus auf unserer Ikone einen leinenen Lendenschurz trägt, der sogar mit Gold umrandet ist. Dieses Kleid bedeutet mehr als nur das Bedecken der Blöße. Es verrät uns etwas zur Rolle, die Jesus auf dieser Ikone spielt – er ist der Hohepriester des Neuen Bundes.

Dazu werden wir uns im nächsten Monat noch ein paar weiterführende Gedanken machen. Bis dahin wünschen wir eine gesegnete Zeit.

 

Als Anregung für das persönliche Weitergehen sind folgende Impulse gedacht:

  • Vielleicht versuchen Sie in der nächsten Zeit einmal, Jesus in all jenen zu entdecken, die entehrt werden, ihre Scham verlieren, denen man ihre Würde nimmt, die kaum genug Kleidung haben, um sich zu bedecken.
  • Oder Sie beobachten einmal, wie Sie über ihre Mitmenschen denken, über die Armen in der Stadt, die Sünder, die Schamlosen. Gestehen Sie ihnen noch die hohe Würde der Gottebenbildlichkeit zu?
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