Der 4. Begegnungstag am 26. 9. 2004 in Bautzen stand unter dem Thema

"WAS WÄREN WIR OHNE DEN TROST DER BÄUME"

Am 24. September 2004 trafen wir uns zum 4. Begegnungstag bei den Klarissen von der Ewigen Anbetung im Kloster St. Clara in Bautzen. Aus verschiedenen Städten waren insgesamt 24 Teilnehmer gekommen.

Der Tag stand unter dem Thema: "Was wären wir ohne den Trost der Bäume". Pater Ubald Hausdorf OFM stellte uns Texte und Bilder von verschiedenen Bäumen vor, über die wir ins Gespräch kamen. So ging es z.B. um Robinie, Linde, Birke, Wallnussbaum und Pappel. Mit jedem Baum hat es seine eigene Bewandtnis. Wenn Bäume sprechen könnten, so würden sie uns lange Geschichten erzählen können und uns etwas für unser Leben sagen. Aber da das nicht möglich ist, versuchen wir zu überlegen, was sie uns sagen wollen. Hier ein paar Gedanken dazu: 

- Jeder Baum versucht zum Licht hin zu wachsen. Selbst auf die Gefahr hin, dass er nicht ganz gerade wachsen kann. Er muss dann seine Wurzeln fest im Boden verankern, um Halt zu finden. Wo das Licht fehlt, ist kein Leben möglich. Wonach sehnen wir Menschen uns; wonach streben wir? Nach Leben, Lebendigkeit, Fülle, Reichtum, Sinn und Inhalt. 

- Oft stehen Bäume dicht nebeneinander in Alleen und sehen wohl auf den ersten Blick alle gleich aus. Und doch sind sie so verschieden. Ob wir als Menschen wohl ja sagen können zu diesem " Ich" Baum in der Allee? Ja sagen zu mir, so wie ich bin; mit aller Unterschiedlichkeit zu anderen Menschen. Franziskus erhielt vor dem Kreuz von San Damiano seinen Auftrag und er nahm ihn an. Was ist mein persönlicher Auftrag. Kann ich ihn annehmen? 

- Bei den Texten ging es auch um einen sehr alten Nussbaum, der schon sehr lange an seinem Fleck steht. Einige seiner Äste waren vom Sturm abgebrochen, andere waren morsch. Aber noch lebte der Baum und freute sich über jeden Tag. Im Text heißt es: "Einmal werde auch ich am Ziel sein, und ich werde nicht klagen. Ich habe das Leben geliebt, und ich liebe es noch heute trotz meiner Gebrechlichkeit, und ich werde den Tod lieben, wenn er kommt. Er ist mein Freund, dem ich vertrau: Komm Bruder Tod, wann immer du es willst!"

Wie oft wird bei uns Menschen der Tod verdrängt. Zum Leben gehört auch immer das Sterben, das Loslassen, das Abschied nehmen.
Am Ende steht die Frage: Was hast du aus deinem Leben gemacht?
Jeder Baum bringt Früchte.
Jeder Mensch bleibt wertvoll bis zur letzten Minute.

Gabriele Drexler, FG Halle/S  

Woran erkennst du,
dass die Frucht reif ist?
Daran, dass sie sich löst vom Zweig.
Alles reift, um Gabe zu werden,
und erfüllt sich im Opfer.

(Andre' Gide)    

 

Fangt gar nicht erst an, mich zu bedauern!
Wahrscheinlich geht es kaum einem so gut wie mir!
Ist das nicht ein herrlicher Platz!
Ich gehöre zu den ganz wenigen Bäumen in diesem Park,
die nicht angepflanzt wurden, gut geplant von einem Gartenarchitekten,
sorgfältig ausgewählt von einem Gärtner, liebevoll gedüngt und begossen.
Nein, mich hat der Wind hierher gebracht, irgendwann, irgendwie.
Als mich die Menschen entdeckten, Monate später,
da war ich schon eine richtige kleine Birke.
Ich war so fröhlich und schön,
dass mich niemand ausreißen mochte.
In den Jahren bin ich gewachsen. Ihr seht den dicken Stamm.
Da bekamen sie Angst um die Teichmauer.
Und sie kamen und fällten mich.
Ein schlimmer Tag, so dachte ich.
Aber es war nicht das Ende.
Das Leben war noch in mir. Und nicht verlöschend matt,
sondern stark, ganz stark.
Es war, als wenn sich die ganze Kraft im Stumpf zusammengeballt hätte.
Und kurze Zeit darauf brach ein neuer Trieb hervor
und wuchs und wuchs, trieb neue Zweige, neue Blätter.
Irgendwann bekamen sie wegen der Teichmauer
wieder Angst vor mir.
Und wieder kamen sie und fällten mich.
Doch es geschah wie schon beim ersten Mal:
Das Ende war nur ein neuer Anfang.
Schon wieder ist ein kleiner Baum herangewachsen.
Ich lebe jetzt sozusagen schon in dritter Generation,
bin so etwas wie mein eigenes Enkelkind,
und meine Lebenskraft und Lebensfreude ist ungebrochen.
Nichts konnte mir schaden.
Ja, das was schädlich schien, hat nur gezeigt, wie stark ich bin.
Ich juble jeden Tag und singe es, das Lied vom Leben!


Text: Eckart Winter
aus "Ich sehe die Menschen wie Bäume"


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