Sächsische Zeitung
Montag, 8. Mai 2006
Kito Hendrich filmt im Klostergarten. Für das Pflanzen bekam Schwester
Assunta (r.) Erde aus Kloster-Orten und von den Nachbarn.
Foto: SZ/Wolfgang Wittchen
Arm und doch reich
Von Silvia Stengel
Film. Das Kloster St. Klara in Bautzen öffnet sich für ein Drehteam. Das hielt am Sonnabend fest, wie ein besonderer Baum gepflanzt wurde.
Kamera ab. Stopp. Das Ganze nochmal. Klappe, die Dritte. So läuft das nicht im Kloster St. Klara in Bautzen. Am Sonnabend war dort ein Filmteam. Aber das steht beim öffentlichen Gottesdienst diskret mit einer Handkamera an der Seite. Später, im Klostergarten, sind zwei Kameras im Einsatz: Nun wird der Birnenbaum gepflanzt - aus Brixen in Südtirol.
Bis ins 13. Jahrhundert zurück
Schwester Maria Assunta strahlt. Die Äbtissin hat sich diesen Baum so sehr gewünscht. Weil er mit ihrer Geschichte verbunden ist, mit den Klarissen, wie sich die Schwestern nennen. Die Geschichte geht bis ins 13. Jahrhundert zurück, in die Zeit der Klara von Assisi. Als ihre Schwestern in Brixen ein Kloster gründeten und das Gelübde der Armut ablegten, schenkte sie ihnen Birnen. Aus den Kernen zogen sie Bäume und wieder neue. Heute werden ihre Ableger aufgepfropft, erzählt Johannes Grubert vom Freundeskreis der Heiligen Klara und des Heiligen Franziskus. Der 41-Jährige war vor einer Woche mit in Brixen, um den Baum zu holen. Er ist der Produzent bei dem Filmprojekt "Der Birnenbaum der Heiligen Klara" - ehrenamtlich, wie alle Beteiligten. Als ihm Schwester Maria Assunta von dem Wunsch erzählte, wollte er helfen, ihn zu erfüllen und hatte die Idee, dass ein Filmteam alles begleiten könne.
Über den Baum wird nun auch die Geschichte des Klosters und das Leben der Klarissen beleuchtet. So sind sie in dem Film zu sehen: die Heilige Klara im langen Kleid, Arme und Aussätzige in Lumpen, an die sie Brot verteilte. Junge Leute aus Bautzen schlüpften in die Rollen. Die meisten Kostüme hat das Theater beigesteuert. Von dort half auch eine Maskenbildnerin, aus normalen Gesichtern entstellte zu machen. Seit einem Jahr wird nun schon in Bautzen und der Umgebung gedreht - im Mönchshof, in der Alten Wasserkunst, auf dem Schützenplatz, im Wald bei Großpostwitz. Da wurde auch mit Klappe gearbeitet und mit Anweisungen wie "Das Ganze noch mal", erzählt Regisseur Kito Hendrich.
Und natürlich haben die Filmleute im Kloster gedreht. "Die machen das sehr taktvoll", sagt die Äbtissin. "Ich bin denen sehr vom Herzen her zugetan." Das spürt das Drehteam. "Der Kontakt ist so warmherzig, jedes Mal", sagt Redakteurin Marita Hendrich. Kameramann Steffen Hejduska war vorher noch nie in einem Kloster.
Wer denkt, die Schwestern leben abgeschottet von ihrer Umwelt, wird schnell eines Besseren belehrt. Telefon und Computer gehören zum Alltag. Eine Klostermauer gibt es zwar und vergitterte Fenster. Aber am Tage steht das Tor weit offen. Schwester Maria Assunta bittet in den Empfangsraum und zündet eine Kerze an. Manchmal sitzt hier jemand, der Hilfe braucht. "Es kommen Menschen, die in Not sind, die ein Gespräch möchten, von denen ich keine Namen weiß", sagt die 64-Jährige. Zwei Jahre lang haben die Schwestern auch Obdachlose betreut - im Engelhaus, einem Nebengebäude.
Wunderbare Begegnungen
"Ich hatte wunderbare Begegnungen mit Zeitgenossen, die mit Kirche alle nichts am Hut hatten", sagt die Äbtissin und erinnert sich an DDR-Zeiten. Als sie Ziegel brauchten und eigentlich keine frei verkauft werden durften, kümmerte sich eine Frau darum, dass frühmorgens ein beladener Hänger auf dem Hof stand. Als ein Kran nötig war, kam ein Mann damit nach Feierabend vorbei.
Heute ist das nicht anders: Ein Bäcker gibt kostenlos Brötchen. Ein Ehepaar mit einem Gemüseladen bringt regelmäßig etwas vorbei. Feste Einnahmen sind die Renten, die einige Schwestern bekommen. Ansonsten leben sie von Sach- und Geldspenden. Die Äbtissin erinnert sich an einen Festtag, an dem "nichts da war". Aber gerade an diesem Nachmittag brachte jemand eine Kuchenplatte, die von einem Geburtstag übrig war. "Wir haben nichts und wir haben doch alles", sagt sie.
Der Dokumentarfilm soll im Juli fertig sein. Das Drehteam arbeitet schon am nächsten Film über die Klosterruine und die Franziskaner in Bautzen. Auf die Hilfe der Äbtissin können sie jedenfalls auch in Zukunft zählen: "Die Heilige Klara ist ja auch Patronin des Fernsehens", sagt sie. "Da dürfen wir uns gar nicht verschließen." |
Klostergeschichte und Filmteam in Bautzen
Das Kloster St. Klara am Rande der Stadt Bautzen wurde 1925 gegründet, damals mit vier Schwestern. Heute leben dort acht Schwestern in Klausur: Der Wohn- und Lebensraum dient dem Rückzug und der Besinnung. Er wird von den Schwestern nicht ohne wichtigen Grund verlassen und darf von Außenstehenden ohne wichtigen Grund nicht betreten werden. Ein solcher Grund ist zum Beispiel ein Arztbesuch.
Die Klarissen leben nach den Regeln der Heiligen Klara von Assisi (1194 bis 1253), einer Weggefährtin des Heiligen Franz von Assisi. Sie sehen ihren Auftrag darin, "betend und arbeitend in der Stille präsent zu sein zum Lobe Gottes und für die Anliegen der Kirche, der Welt und der Zeit". Eines ihrer ersten Klöster wurde 1235 in Brixen gegründet.
Die Klosterruine in der Bautzener Altstadt ist mit der Geschichte der Franziskaner verbunden. Einige Brüder ließen sich 1225 in Bautzen nieder und gründeten das Kloster. Noch heute zeugen davon Namen wie Große und Kleine Brüdergasse.
Das Filmteam arbeitet ehrenamtlich und gehört zum "TransKult TV", einem Verein, der 2002 in Bautzen gegründet wurde. Die Mitglieder haben Kurse des Sächsischen Ausbildungs- und Erprobungskanals besucht und wurden in den Bereichen Fernsehtechnik und -journalismus ausgebildet. Zu den bisherigen Projekten gehört ein 70-minütiger Film über den Festumzug zum 1000-jährigen Bestehen der Stadt Bautzen. Kontakt, auch für Spenden: Tel. 03591/30 38 97.
www.transkult-tv.de
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