Der 7. Begegnungstag am 13. 11. 2005 in Bautzen stand unter dem Thema

"WER SIND WIR UND WAS WOLLEN WIR?"

Am 13. November 2006 trafen wir uns zum Begegnungstag der Freunde des heiligen Franziskus und der heiligen Klara im Klarissenkloster in Bautzen. Was uns dort immer wieder zusammenführt, ist die Beziehung zu den Klarissen und das gemeinsame Anliegen der Baumpflanzung.

Jeder Gärtner weiß, dass ein Baum, der gut wachsen soll, auch beschnitten werden muss. Auf unserem Begegnungstag wollten wir uns im auf die Gemeinschaft übertragenen Sinn mit diesem Thema beschäftigen. P. Ubald Hausdorf OFM gab uns in seinem Impulsreferat sehr hilfreiche Anhaltspunkte zu dem Thema »Wer sind wir und was wollen wir?«. Ich möchte aus seinem Impulsreferat wichtige Gedanken wiedergeben und noch ein paar weitere Akzente setzen. Am Anfang zitierte P. Ubald einen Text

von Heinrich Spaemann:
»Was wir im Auge haben, das prägt uns,
dahinein werden wir verwandelt.
Und wir kommen, wohin wir schauen«.

Es lohnt sich darüber nachzudenken, was wir als Mitglieder einer Geistlichen Gemeinschaft im Auge haben, was uns prägt und was wichtig ist. Was ist franziskanisches Leben? Ist das ein Leben im Trend der Welt oder bedeutet es das Entgegengesetzte, nämlich Leben gegen den Trend? An wem müssen wir uns orientieren? Franziskus von Assisi, Klara von Assisi und Elisabeth von Thüringen sind für viele bis heute Vorbild. Sie haben sich in ihrem Wirken nur an Jesus ausgerichtet. Ihr Lebensstil wirkt bis heute für alle anziehend. Von diesen Gestalten geht etwas aus! Was aber geht von unseren Gemeinschaften aus? Oder warum geht nichts davon aus? Unsere heutige Zeit wird vom Perfektionismus beherrscht. Viele Menschen gehen daran zugrunde. Jeder Mensch hat seine Begabungen und Talente, die er von Gott geschenkt bekommen hat. Warum bringen wir diese Begabungen nicht ein und schenken sie weiter? Man kann,und braucht nicht alles zu wissen und zu können. Wir müssen erkennen, dass es normal ist, dass jeder Mensch auch Unzulänglichkeiten hat und müssen uns diese auch eingestehen. Als franziskanisch orientierte Menschen leben wir oft gegen den Trend der Zeit und schwimmen oft gegen den Strom. Machen wir uns immer wieder bewusst, was es heißt, das Evangelium zu leben. Es bedeutet:

- Die Menschwerdung Gottes in Jesus, im anderen und in sich selbst ernst nehmen.
- Ein Leben in evangelischer Armut und Brüderlichkeit bzw. Geschwisterlichkeit führen.
- Die Menschwerdung Jesu ernst nehmen und heilende Begegnungen ermöglichen.
- Die Botschaft vom Reich Gottes mit dem Wort und in der Tat, mit Phantasie und spielerischer Leichtigkeit verkünden.
- Den Frieden bringen.
- In der Einheit mit Christus und seinem Vater leben und abschiedlich leben können.
- Die Fußwaschung ins eigene Leben umsetzen.
- Mit dem Kreuz leben.

Wann hat eine geistliche Gemeinschaft, wie die unsere, Zukunft?

- Wenn wir leidenschaftlich aus der Tiefe leben:
Wir haben Zukunft, wenn Christus Anfang, Mitte und Ziel des Lebens, Betens und Tuns ist.

Jesus sagt: »Wo zwei oder drei in meinem Namen versammelt sind, da bin ich mitten unter ihnen« (Mt. 1 8,20). Jesus kann nicht in der Gemeinschaft gegenwärtig sein, wenn die Menschen sich nur auf der materiellen Ebene zusammenfinden und sich weigern, einander wirklich zu begegnen.

Es geht um die Kraft unseres Glaubens, unsere Tradition und Sendung. Die Sendung einer Gemeinschaft besteht vor allen Dingen darin, Quelle des Lebens für andere zu sein. Das heißt, den anderen eine neue Hoffnung zu geben, einen neuen Sinn des Lebens, die Fähigkeit zu leben und zu wachsen, gute Dinge zu tun und Gott zu begegnen. Die Freundschaft mit dem Herrn muss Ursprung und Ziel unserer Sendung sein. Wichtig ist dabei nicht, in Strukturerhaltung hängen zu bleiben, sondern die Lebendigkeit zu suchen und zu bewahren. Manche geistliche Gemeinschaft scheitert weil sie sich zu sehr an die heutige Zeit anpasst.

- Wenn wir eine ansprechende Alternative werden:

»Die Not des Fehlens geistlicher Berufung ist die Not der jetzt in geistlichen Berufen Lebenden. Nicht der Mangel an Anpassung an die moderne Kultur, sondern der Mangel an Nichtanpassung an die moderne Kultur ist das Problem der geistlichen Berufungen« (J.B. Metz). Hierbei geht es darum, intensiver aus dem Geist des Evangeliums zu leben. Es geht um Gemeinschaftsleben, Verantwortung füreinander und für das gemeinsame Wachsen, Gastfreundschaft, Ehrfurcht, Versöhnungsbereitschaft, Großherzigkeit und Freigebigkeit. Es geht aber auch darum, Einzelkämpfertum abzulegen.

- Wir haben Zukunft, wenn wir für junge Menschen eine »ansprechende Alternative« sind:

Hier müssen als erstes die Fragen gestellt werden: Was und wie sind wir? Stimmt unser Leben mit dem überein, was wir sagen? Sind wir froh in dem, wie wir leben und arbeiten? Sind wir lebendig als Mitglieder der FG? Leben ruft Leben hervor. Von Jesus wird uns erzählt, dass er gekommen ist, »damit sie das Leben haben und es in Fülle haben« (Job 10,10). Eine Gemeinschaft lebt dann in der Fülle, wenn sie sich bewusst wird, dass sie nicht für sich selbst da ist, sondern um die Gaben Gottes anzunehmen und mit Gott Hunger und Durst in den Herzen der Menschen zu stillen, durch Gebet, Opfer, Liebe und einen Geist des Dienens. Solch ein gutes Gemeinschaftsleben wirkt glaubwürdig, anziehend und herausfordernd und kann so zur Alternative für Suchende werden.

- Wenn wir ein klares Profil unserer Sendung wagen:

Es geht darum, unser Charisma auch wirklich zu leben. Wir müssen verfügbar sein für die Kirche und für Menschen, die unsere Hilfe brauchen. Diese Verfügbarkeit kann nur wachsen in der inneren Orientierung am Herrn und im Hören auf Ihn. Wenn viele aus ein und derselben Gemeinde verfügbar sind, dann wird dies nach außen auch sichtbar. Unsere Aufgabe ist es, dort zu sein, wo sonst niemand sein will, bei den Leidenden und Suchenden. Unsere Aufgabe ist es aber auch, für die jungen Menschen offen zu sein, sie zu verstehen und auf ihrer Wegsuche zu begleiten.

Im Anschluss an das Impulsreferat, wofür wir P. Ubald herzlich danken, tauschten wir uns in kleineren Gruppen aus.

Mit der Feier der heiligen Messe und anschließender Kaffeetafel endete unser Begegnungstag. Der nächste Höhepunkt für uns wird nun die Pflanzung des Birnenbaumes im Garten des Klarissenklosters im Mai des kommenden Jahres sein.

Gabriele Drexler, FG Halle