Ich aber will mich allein des Kreuzes Jesu Christi, unseres Herrn, rühmen, durch das mir die Welt gekreuzigt ist und ich der Welt. Denn es kommt nicht darauf an, ob einer beschnitten oder unbeschnitten ist, sondern darauf, dass er neue Schöpfung ist. Friede und Erbarmen komme über alle, die sich von diesem Grundsatz leiten lassen, und über das Israel Gottes. In Zukunft soll mir niemand mehr solche Schwierigkeiten bereiten. Denn ich trage die Zeichen Jesu an meinem Leib. (Gal 6,14-17) Zwei Jahre bevor Franziskus seine Seele dem Himmel zurückgab, weilte er in einer Einsiedelei, die nach dem Ort, wo sie gelegen ist, Alverna heißt. Da sah er in einem Gottesgesicht einen Mann über sich schweben, einem Seraph ähnlich, der sechs Flügel hatte und mit ausgespannten Händen und aneinandergelegten Füßen ans Kreuz geheftet war. [...] Große Wonne durchdrang ihn, und noch tiefere Freude erfasste ihn über den gütigen und gnadenvollen Blick, mit dem er sich vom Seraph angeschaut sah, dessen Schönheit unbeschreiblich war; doch sein Hängen am Kreuz und die Bitterkeit seines Leidens erfüllte ihn ganz mit Entsetzen. [...] Er dachte voll Unruhe nach, was diese Vision wohl bedeute, und um seinen innersten Sinn zu erfassen, ängstigte sich sein Geist gar sehr. Während er sich verstandesmäßig über die Vision nicht klar zu werden vermochte und das Neuartige an ihr stark sein Herz beschäftigte, begannen an seinen Händen und Füßen die Male der Nägel sichtbar zu werden, in derselben Weise, wie er es kurz zuvor an dem gekreuzigten Mann über sich gesehen hatte. [...] Ferner war die rechte Seite wie mit einer Lanze durchbohrt und zeigte eine vernarbte Wunde, aus der häufig Blut floss, so dass seine Kutte und Hose oftmals mit heiligem Blut getränkt wurden. (1 Cel 94.95)
Das Thema dieser Seite des Monats ist uns gewissermaßen in „verschlüsselter Weise“ bereits durch die Unterschrift unter dem Bild vorgegeben. „Leg mich wie ein Siegel auf dein Herz“, heißt es da. Diese Worte entstammen dem Hohen Lied der Liebe. Vor etwa einem Jahr (Okt 2012) haben wir die Ecken unserer Ikone mit den Seraphin betrachtet und festgestellt, dass dort eben genau aus dem Hohenlied die Unterschriften entnommen sind. Dieses Mal sind es die ersten Worte des Zitates (Hld 8,6.7) und damit gewissermaßen der Anfang. Denn die Seraphim als Engelwesen der Liebe sind Jesus natürlich sehr nahe und haben ihren Ursprung in ihm. Denn er ist die Liebe. Er ist die gekreuzigte Liebe. Dieser Liebe zu folgen, hat Franziskus sich vorgenommen und bezeugt das auch in dem Vermächtnis, das er der hl.Klara und ihren Schwestern hinterlassen hat, indem er schreibt: „Ich, der ganz kleine Bruder Franziskus, will dem Leben und der Armut unseres höchsten Herrn Jesus Christus und seiner heiligsten Mutter nachfolgen und darin bis zum Ende verharren.“ Dieser Geist der Nachfolge in Leben und Armut Christi, ist auch das Lebensprogramm Klaras und ihrer Schwestern geworden und wird auch im Kernstück der Regel, dem 6.Kapitel, explizit noch einmal aufgegriffen, indem sie das Vermächtnis des hl.Franziskus zitiert. Es ist ein Weg von der Krippe bis zum Kreuz, von der Menschwerdung bis zur Verherrlichung. Diesen Weg sind beide, Franziskus wie Klara gegangen. Und beide haben auf ihre Weise Anteil erhalten am Kreuz ihres Herrn. Franziskus empfing im Jahr 1224 die Wundmale, die wir auf dem Bild deutlich erkennen können, in der Begegnung mit einem gekreuzigten Seraph, einem Boten der gekreuzigten Liebe. Damit wird die Christusförmigkeit des hl.Franziskus gewissermaßen göttlich besiegelt und vervollkommnet. So hat er Anteil am Blut Christi, das vergossen ist für viele als Zeichen des neuen Bundes (vgl.Lk 22,20). Bildhaft finden wir das auch auf der Ikone, wo das Blut aus den Wunden der linken Hand auf Franziskus herunterläuft. Unter dem Kreuz steht aber auch Klara, die empfangend ihre Hand ausstreckt und die ebenfalls vom Blut Christi benetzt wird. Christus schaut liebevoll auf sie herab, in derselben Weise, wie Thomas von Celano den Blick Christi in seinem Bericht über das Geschehen auf dem Berg Alverna beschreibt. Auch sie hat in besonderer Weise an der Armut Christi am Kreuz Anteil erhalten. Im selben Jahr, indem Franziskus die Wundmale empfing, begann die bis zu ihrem Tod noch fast 30 Jahre andauernde Krankheit, die sie oft ins Bett zwang und ihr damit körperlich sehr enge Grenzen setzte. Wie Christus am Kreuz nichts mehr tun konnte als zu sprechen und selbst um einen Schluck Wasser bitten musste, so war auch die hl.Klara oft vollkommen abhängig von der Barmherzigkeit und den Liebesdiensten ihrer Schwestern. Sie trug die Wunden Christi in anderer Form, aber sicher nicht weniger schmerzhaft. Und so stehen sie beide, Schwester Klara und Bruder Franziskus, vor einem tiefen Abgrund des Todes (wir sehen den Totenschädel), des täglichen Sterbens in der Nachfolge, über dem das Kreuz aufgerichtet ist und über den hinweg Christus beide in ganz besonderer Weise verbindet. Zu der besonderen Verbindung dieser beiden Heiligen wollen wir uns auf der nächsten Seite des Monats noch ein paar Gedanken machen und auch die Ikonographie im Hintergrund wachsam mitbedenken.
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